Einige Anregungen aus unserer täglichen Projektpraxis:

Der eine oder andere Blog-Konsument wird sich vielleicht an den 1. Teil dieser Beitragsserie aus dem Mai erinnern und sich jetzt fragen, war da nicht ein anderes Thema für den 3. Teil angekündigt?

Sie haben Recht, aber aufgrund meines aktuellen Projektkontextes habe ich mich entschlossen, heute – und wahrscheinlich auch in meinen nächsten Beiträgen – über ein anderes Thema zu schreiben.

Und so befasst sich dieser Beitrag mit dem DNA-Handlungsfeld des gemeinsamen digitalen Denkens von Fachbereich und IT. Unter dieser Überschrift verstehen wir bei PPI auch alle Methodiken, die z. B. in größeren agilen Vorhaben eine zielorientierte, aber flexible Erarbeitung einer Digitalisierungsplattform in einem großen Team ermöglichen.

Auch in einem agilen Umfeld sind Fragen der folgenden Art absolut sinnvoll, und eine Antwort ist notwendig:

  • Welche Kapazität ist wichtig, um ein Minimal-Viable-Product (MVP) umsetzen?
  • Wie passt meine vorhandene Fachbereichs- und Umsetzungskapazität zu meiner Umsetzungsroadmap?
  • Wie sieht mein grober Umsetzungsplan für die nächsten 9-18 Monate aus?
  • Zu welchen Zeitpunkten brauche ich Zulieferungen von Delivery-Einheiten außerhalb meines Projektes?
  • Wie kann ich überprüfen, ob meine Produktivität im Rahmen der Umsetzung hoch genug ist?

Für eine erfolgreiche Umsetzung dieser und weiterer Vorhaben gilt es, die richtigen und angemessenen Antworten in einem agilen Umfeld zu finden.

Übrigens ist es nach meiner Praxiserfahrung ganz normal, sich dann mit diesen Fragestellungen zu befassen, wenn man sich bereits mitten in einer Umsetzung befindet. Es ist eben manchmal für bestimmte Unternehmenssysteme sinnvoll, erst einmal mit einigen kleinen Themen und einer großen Produktvision in einigen Köpfen loszulaufen und dann in diese Fragestellungen einzutauchen.

So genug der Vorrede, werden wir etwas konkreter. Wie kann ich mit vertretbarem Aufwand und vernünftiger Qualität den Umfang und die notwendige Kapazität eines großen Vorhabens (Planungsbudget: mittlerer zweistelliger Millionenbetrag über 5 Jahre) schätzen, ohne dass ich schon ein detailliertes Konzept für den Gesamtumfang vorliegen habe? Denn Sie erinnern sich, wir befinden uns notwendigerweise in einem agilen Umfeld.

Indem wir einem bewährten Schätzansatz aus der agilen Welt auf angemessene Art und Weise adaptieren – wir „spielen“ Planungspoker auf einem höheren Abstraktionslevel.

Die Grundidee des Planungspokers ist sehr einfach. Die Größe einer fachlichen Anforderung (die normalerweise in Form einer Userstory vorliegt) wird nicht in ihrer absoluten Größe, sondern relativ zu einer Vergleichsfunktionalität geschätzt: „Der Umfang und die Komplexität der Userstory B ist ungefähr X-mal so groß wie der Umfang und die Komplexität der Userstory A.“ Zweiter wichtiger Aspekt dieses Planungspokers ist das zweistufige Schätzen in einer Gruppe (Team). Im ersten Schritt schätzt jedes Mitglied der Schätzgruppe einzeln für sich. Im Rahmen von Workshops wird über die Vorabschätzungen diskutiert und ein einheitlicher Wert vereinbart. Die Größe dieser Userstory B (im Vergleich zu Userstory A) wird dann in sogenannten Storypoints festgehalten. Üblicherweise geschieht dies in einer Skala der Form 1 (=Größe der Vergleichsuserstory A), 2,3,5,8,13,20,40,100 Storypoints und im Vorfeld einer Sprintplanung. Userstories mit einem Storypoint-Wert > 8 werden üblicherweise nicht in einen Sprint aufgenommen, sondern der Wert ist ein Indiz dafür, dass eine Zerteilung sinnvoll ist.

  1. Wenn dieses Grundprinzip und die darin liegende Hypothese, dass das Schätzen einer relativen Größe deutlich einfacher für erfahrene Entwickler ist, als das Schätzen einer absoluten Größe, akzeptiert haben, brauchen Sie nur noch vier Dinge, um hieraus eine valide Kapazitätsschätzung herzuleiten:Mut, um dieses Verfahren auf einem höheren Abstraktionslevel (nämlich auf der Ebene von Epics) durchzuführen
  2. eine Liste von priorisierten Epics als Grundlage für den Planungspoker
  3. eine geeignete Schätzgruppe
  4. ein Vergleichsepic, das Sie umrechnen können

ad 1: Tja, hier sind Sie selbst gefragt oder Sie lassen sich unterstützen.

ad 2: Falls Sie sich an den Oktober erinnern, dort habe ich das Instrument einer UserStoryMap vorgestellt. Aus einer UserStoryMap lässt sich mit relativ geringem Aufwand eine priorisierte Epic-Liste ableiten. Im vorliegenden Fall haben wir das Verfahren mit knapp 100 Epics durchgeführt. Jedes Epic war dabei mit 1-2 Sätzen beschrieben, und wir haben auf dieser Basis die internen und externen Abhängigkeiten aufgezeigt.

ad 3: Wenn Sie keine hierfür geeigneten Menschen an Bord haben, helfen weder Mut noch geeignete Methodik.

ad 4: Für so etwas hilft die Tatsache, dass Sie sich bereits in der Umsetzung befinden, enorm.

Natürlich ist das Thema im Rahmen dieses Beitrags etwas simplifiziert dargestellt. Und vor allem bei dem Schritt Umrechnen von Epic-Points in Kapazität sind noch ein paar Dinge zu tun, aber ich kann Ihnen versichern, es funktioniert!

In der Hoffnung Sie nicht gelangweilt zu haben, sondern Ihnen ein paar Denkanstöße geliefert zu haben, verbleibe ich nach deutlich über einem Jahr digitale DNA bei PPI mit der Empfehlung

„Finden Sie Ihre Ansätze und entwickeln Sie die digitale DNA Ihres Unternehmens (weiter).“ 

Beste Grüße
Tobias Kohl

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