Das Sprachenwirrwarr
Die meisten kennen die Geschichte: Die Menschen wollen hoch hinaus, sich Gott mal etwas zu weit nähern mit ihrem Turmbau zu Babel. Das gelingt auch erst recht gut, die komplexen und notwendigen Absprachen funktionieren dank einheitlicher Sprache schnell und klar, eben effizient. Nun passt das Gott natürlich gar nicht, dass die Menschen so hoch hinaus wollen. Also verteilt Gott schnell mal neue Sprachen und ruckzuck läuft auf dem Bau nichts mehr reibungslos und das Projekt scheitert.

“Mir kommt vor, das sey die edelste von unsern Empfindungen, die Hoffnung, auch dann zu bleiben, wenn das Schicksaal uns zur allgemeinen Nonexistenz zurückgeführt zu haben scheint. […]” (Zum Schäkespears Tag von Johann Wolfgang von Goethe, 1771)

Da stelle man sich einmal vor, der werte Johann Wolfgang stünde heute vor einem und begänne seine Rede mit genau diesen Worten. Was den meisten von uns heute selbst beim Lesen Interpretationskopfschmerzen bereitet und längst verheilte Wunden aus Abizeiten aufreißt, war vor knapp 250 Jahren eine Sprache, die zumindest von vielen Menschen problemlos verstanden wurde. Der Schwabe würde frei interpretiert heute das gleiche mit folgenden Worten sagen: “Mr hodd nedd jedn Dag an guada Dag!”

Moderne und digitale Sprachen
Mittlerweile hat sich mit Englisch eine Art verbindende Weltsprache etabliert, denn auch weiterhin treibt den Menschen die Effizienzsteigerung der Sprache. Nebenbei entwickeln wir nun auch Roboter und Künstliche Intelligenz. Was bietet sich mehr an, als diesen Systemen ebenfalls das „Sprechen“ beizubringen und am besten mit einer universellen Sprache wie Englisch? So haben es Forscher von Facebook getan – bis hierhin nichts Besonderes. Ziel war es eigentlich, zwei Chatbots miteinander handeln zu lassen und deren Vorgehen und Optimierungsstrategien zu beobachten. Dies gelingt umso einfacher, je besser man versteht, was die Roboter tun. Bis hierhin auch noch kein Problem. Nur wie der Versuch tatsächlich lief und warum die Forscher den Stecker der Systeme ziehen ließen lässt sich noch nicht erahnen…

Beide Roboter fingen an miteinander zu sprechen und alle dachten, sie würden entsprechend loslegen zu handeln. Doch im ersten Schritt stimmten die beiden sich nur auf einen maximal effektiven Weg ab – dieser führte unweigerlich über die Sprache. Beide erkannten, dass die gelernte Sprache ihrem Ziel nicht dienlich genug war und einigten sich auf eine „neue“ Sprache. Die Roboter entwickelten kurzerhand eine eigene, für die Forscher nicht mehr nachvollziehbare Sprache – innerhalb weniger Stunden – nicht mehreren hundert Jahren! Keiner verstand mehr, was die beiden Roboter da eigentlich trieben. Wie auch, so schnell kann man kein Wörterbuch schreiben.

Kontrollverlust oder normaler Fortschritt?
Nun gut, was macht man konsequenter Weise, um die Kontrolle über die Systeme wieder zu gewinnen? Man zieht den Stecker. Wer weiß, was die Künstliche Intelligenz da ausheckt. (Offiziell war das natürlich nicht die Begründung, sondern vielmehr, dass das Experiment nicht das gewünschte Ergebnis brachte und ein Fortgang daher keinen Sinn hätte.)

So schnell kann man bei einer Art „digitalisierten“, Jahrtausende alten Geschichte der Bibel landen. Nur sind wir nicht allmächtig und dieses Experiment zeigt, dass wir uns der Kontrolle Künstlicher Intelligenz in einer vernetzten, globalen Welt vielleicht nicht so sicher sind, wie wir oft glauben.

Bevor Sie nun befürchten, dass hier eine neue Science-Fiction-Serie entsteht oder ganze Utopien verfasst werden, seien Sie beruhigt. Wie mit allen neuen Erfindungen, gibt es zu Beginn eine ungewisse Menge an unbekannten Herausforderungen. Hätte die Menschheit jedes Mal den Stecker gezogen und dann alles wieder aufgegeben, müssten wir diesen Blogbeitrag als Wandmalerei in einer Höhle verewigen…

Zurück in die Zukunft
Im Grunde spiegelt diese Wandlung und immer wieder neue Interpretation von Sprache auch unser tägliches Schaffen als IT-Berater für Versicherungen wider. Sei es die Übersetzung von Ideen in Fachanforderungen und dann in „Nerdtalk“ oder insbesondere die Orchestrierung heterogener Systeme bei der Systemintegration, bei der man ab und an doch noch moderne, digitale „Goethe“ finden kann. Überall muss man verschiedene Sprachen und Sprachausprägungen verstehen und sprechen lernen, damit die einzelnen Inseln am Ende doch als Gesamtes ihr Ziel erreichen. Die Kunst ist es, bleibende, nachhaltige Sprachentwicklung von kurzzeitigen Hypes zu unterscheiden.

Wir finden daher: Sprache – auch die der Künstlichen Intelligenz – sollte man sportlich nehmen, in jeglicher Hinsicht. Selbst wenn uns manche Blüten auf den ersten Blick zuwider erscheinen, ist es immer interessant den Hintergrund der Entwicklung zu ergründen. Dann ermöglicht das oft einen ganz neuen Blick auf eine eigentlich bekannte Herausforderung. Oder man kann es unter der Rubrik “Hype” verbuchen, im besten Fall darüber lachen und dann getrost vergessen. Schrecken Sie also nicht davor zurück, auch Chatbots in Ihrem Versicherungshaus einzusetzen. Es könnte dann spannend werden, wenn die Chatbots der einzelnen Versicherer sich mal untereinander austauschen würden… 😀

Beste Grüße
Ronny Kant & Jonathan Freitag

Ronny Kant ist Consultant im Bereich Versicherungen und ist nebenbei ein sehr kreativer wie auch innovativer Schreiberling. Er interessiert sich für zukünftige Entwicklungstendenzen der Versicherungsbranche und die daraus resultierenden Herausforderungen für Versicherungsunternehmen.

Jonathan Freitag ist Partner bei aaronprojects und verantwortet dort die IT-Consulting-Sparte. Für nachhaltigen Pragmatismus und direkte Kommunikation kann man ihn immer begeistern.

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