Wenn die Schulbuchmethodik nicht mehr für die Praxis gilt, sind Methoden dann überhaupt noch relevant?
Die Frage stellen sich in meinem Umfeld viele. Die Verunsicherung bei der Frage nach der Methodik, ist für mich auch durchaus nachvollziehbar.
Projektexterne Faktoren bilden Leitplanken für die Durchführung und die sich stetig variierenden Grundbedingungen ändern nahezu täglich die zuvor gesetzten Ziele. Die zum Projektstart definierten Ziele werden während der Projektlaufzeit so häufig angepasst, dass diese mit den ursprünglichen Rahmenbedingungen zu Beginn des Projekts nicht mehr vergleichbar sind. Durch die Volatilität der Projekte wird auch unsere Vorgehensmethodik regelmäßig angepasst und weicht dadurch von der Lehrbuchmethodik ab. Bislang ist mir noch kein Projekt begegnet, bei dem die Durchführung exakt dem Lehrbuch glich.
Trotzdem ist für mich die Antwort hier klar und einfach. Ja, Methoden verlieren nicht an Relevanz. Allerdings gewinnen die Auswahl und Anwendung der Methodik an Komplexität dazu. Auf den ersten Blick, könnte beispielsweise die Auswahl eines Vorgehensmodells für ein Projekt einfach sein. Sind die Parameter Zeit (t) und Kosten (€) vorgegeben, so sollte ein agiles Vorgehensmodell gewählt werden. Allerdings wird häufig nicht transparent kommuniziert, dass die agile Methode auch einen variablen Umfang mit sich bringt. Da dies allerdings in der Praxis selten der Fall ist, werden alle drei Parameter (Zeit, Kosten und Umfang) bereits zu Projektbeginn definiert. Anschließend wird in der Projektdurchführung eine scheinbar agile Methode angewendet, die dem / der ein oder anderen Stakeholder:in auf ein unstrukturiertes Vorgehen schließen lässt. Nach der Projektdurchführung wird das Vorgehen validiert und alle Beteiligten bekommen schnell den Eindruck, die Methodik ist gescheitert bzw. die Methodik ist nicht praxistauglich.
Ein weiterer Einflussfaktor auf die Durchführbarkeit einer Methode ist die fehlende Konfiguration des Projektvorgehens. Häufig fehlt die Zeit vor dem Projektstart alle Projektbereiche auf die spezifischen Gegebenheiten anzupassen. Projekte sind nicht miteinander vergleichbar, dass macht unsere Projekte so einzigartig. Entweder liegen neue Ziele, ein neues Team oder ein ganz neues Umfeld in dem das Projekt durchgeführt werden soll, vor. Wie also können wir davon ausgehen, dass ein Vorgehen, welches bei dem einen Projekt funktioniert hat, auch bei weiteren Projekten ohne Anpassungen funktionieren kann?
So stellt sich mir die Frage, ob wir uns eine Meinung über die Relevanz von Methoden in der Praxis erlauben dürfen. Kann die Relevanz überhaupt Infrage gestellt werden, wenn diese bereits zu Beginn nicht vollständig oder schlicht fehlerhaft angewendet wurde?
Projektrahmenwerke wie PITPM (Pragmatisches IT Projektmanagement) sehen vor Projektstart eine umfangreiche Konfiguration der Projektbereiche vor. Das bedeutet, dass wir uns zu Beginn praktisch ein ganz eigenes Vorgehen für unser Vorhaben erstellen. Es werden im PITPM neun Wissensgebiete konfigurativ angepasst. Dabei wird nicht nur das Projekt, sondern auch gezielt das Projektumfeld betrachtet. Dadurch ist es unter anderem möglich Stakeholder situativ mit einzubeziehen. Als Ergebnis der Projektkonfiguration steht ein eigens angepasstes Vorgehensmodell, welches theoretisch einzigartig für unser einmaliges Vorhaben entwickelt wurde. In Projekten, für die eine Konfiguration stattgefunden hat, werden anschließend Methoden angewendet, die ebenfalls passend für das Vorgehen ausgewählt wurden. Außerdem wird durch die Projektkonfiguration sichergestellt, dass alle Beteiligten mit ausgewählten Methodiken arbeiten können. Wie kann die Projektvorgehensmethode anschließend für die Praxis nicht relevant sein, wo theoretisch das gesamte Vorgehen maßgeschneidert ist?
Das Rahmenwerk PITPM ist hier nur ein kleines Beispiel für eine Modell, welches ein hohes Maß an Praxisrelevanz aufweist, wenn die Zeit investiert wird diese auch wirklich anzuwenden. Wir sollten uns also nicht grundsätzlich gegen die Methodik verschwören, nur weil wir einmal schlechte Erfahrung gesammelt haben, sondern die Augen offenhalten, bis uns die für uns passende Methode über den Weg läuft. Meiner Meinung nach sollte nicht die Relevanz von Methoden in der Praxis hinterfragt werden, sondern die Art und Weise wie wir diese für unser Projekt auswählen und anwenden. Insbesondere, wenn diese lückenhaft angewendet werden und wir den einzigartigen Charakter unserer Projekte außer Acht lassen. Methoden können nach wie vor ein guter Wegweiser sein, wenn wir uns die Zeit nehmen diese zu verstehen oder uns diese durch eine:n Experten:in näherbringen lassen.
Methoden der Berater:innen