In meinem letzten Artikel schrieb ich bereits darüber, was europäische Versicherer von dem digitalen Versicherungsmarkt in Asien lernen können.
Nun möchte ich die Gelegenheit aufgreifen und Ihnen einige weiterführende Einblicke in die Trends des asiatischen Marktes am Beispiel China geben.
Doch was macht China so interessant? Mein Eindruck ist, dass sich viele Versicherer in Asien und dem Rest der Welt nach wie vor in verschiedenen Phasen der Disruption und Digitalisierung befinden, China aber in den letzten Jahren der Wegbereiter für Innovation bei Versicherern und Insurtechs geworden ist.
Um zu verstehen, warum China so attraktiv für Insurtechs und der damit verbundenen Innovation ist, sollte ein Blick auf die Gegebenheiten des Marktes geworfen werden.
Zunächst bietet Asien aufgrund seiner bloßen Größe und der deutlich unterversicherten Bevölkerung einen attraktiven Markt für Versicherer und Insurtechs.
Traditionell wurden bisher viele Risiken in China durch familiäre und kommunale Netzwerke selbstversichert. Doch durch die schnelle Steigerung des Wohlstandes und die alternde Bevölkerung trägt dieses System nicht mehr. Der Bedarf nach alternativen Risikotransfermöglichkeiten, nämlich Versicherungen, steigt.
Diesen Bedarf können neben traditionellen Versicherern auch Insurtechs abdecken, die nebenbei noch ideale Bedingungen für die Gründung vorfinden. Denn neben der fortschrittlichen technischen Infrastruktur steigt in China stetig die Netzabdeckung und Konnektivität der Bevölkerung. Das weckt auf der Nachfrageseite traditionelle Versicherer, die zunehmend an innovativen Kooperationen interessiert sind, um potenzielle Kunden zu erreichen.
Was sind nun also die Trends, die ein solches digitales Ökosystem hervorbringt.
Der größte Trend in China, den ich in diesem Artikel näher beleuchten will, ist KI.
Zu Beginn möchte ich mit einem Vergleich zwischen klassischen CRM-Systemen und KI starten. CRM bietet hauptsächlich die Möglichkeit, aus den gespeicherten Daten lediglich ausgewählte Geschäftsfunktionen zu erweitern. KI hat hingegen das Potenzial, durch alle Organisationsbereiche zu skalieren. Um zu erklären, wie das KI gelingt, muss diese im Zusammenspiel mit Big Data betrachtet werden. Derzeit ist die operative Effizienz, die durch Big Data in Verbindung mit CRM erreichbar ist, begrenzt. Es ist eine Sache, Daten zu sammeln und zu speichern, eine andere, alle Informationen effektiv zu integrieren und in wertvolle Erkenntnisse umzuwandeln. Deshalb arbeiten Firmen wie ZhongAn daran, das Potenzial von Big Data durch KI und Blockchain zu optimieren.
Ein Beispiel für diese Optimierung ist der Firma bereits durch ihr Produkt „GoGo Chicken“ gelungen. Das Produkt nutzt eine Kombination von Technologien wie Big Data, Blockchain und IoT zur Steuerung und Überwachung von landwirtschaftlichen Aktivitäten.
Durch die gesammelten Daten haben Banken und Versicherer eine bessere Risikobewertung der Landwirtschaft, die es ihnen ermöglicht, den Landwirten geeignete Finanzprodukte anzubieten.
Blockchain, als weiterer großer Trend, schafft innerhalb dieses Produktes der Versicherungswirtschaft ein stabiles und insbesondere gegen Cyberangriffe geschütztes Netzwerk bei gleichzeitiger Reduktion der Betriebskosten für die Finanzinstitute.
Doch die Nutzung von KI hört in China nicht im Bereich maschinelles Lernen und Big Data auf. Vielmehr werden auch Gebiete wie der klassische Vertrieb revolutioniert. Denn auch in China setzen traditionelle Versicherer noch stark auf Agenten, um den Offlineverkauf voranzutreiben, wohingegen KI den Onlineverkauf vorantreiben soll. Die Rolle der KI besteht darin, die Kundenzufriedenheit und die traditionellen Produkte zu verbessern. Mit Big Data als Ergänzung kann KI schnell und genau die Bedürfnisse jedes Kunden ermitteln und erfüllen. Dadurch soll ein weiterer Schritt in Richtung personalisierte Versicherungsprodukte gegangen werden.
Das Problem vieler traditioneller Versicherer hierbei ist, dass sie versuchen, ihre Agenten mit verschiedenen digitalen Tools auszustatten, der Vertrieb jedoch agenturgesteuert bleibt. Dadurch werden die Bedürfnisse der Kunden nicht exakt und sofort erfüllt, sondern durch die Kapazität des Agenten begrenzt.
Deshalb arbeiten asiatische Versicherer daran, ihr Geschäft in die digitale Welt zu migrieren und eine Verbindung aus KI und Agentur zu schaffen, sozusagen einen KI-Agenten.
Doch selbst wenn traditionelle Versicherer sich dazu entschließen, weiter in ihren bisherigen Geschäftsmodellen zu arbeiten, müssen sie dennoch modernisieren und digitalisieren. Ein solches Beispiel ist die Ping An Versicherung, die Technologien wie KI und Blockchain diverser Insurtechs einsetzt, um die Effizienz an bestehenden Prozessen zu erhöhen.
Ich glaube, hieraus wird sich mit der Zeit eine Innovationskultur innerhalb chinesischer Versicherer bilden, die sich nicht nur auf die IT-Abteilungen der Organisationen beschränkt, sondern von jedem Mitarbeiter gelebt wird.
Bis bald
Ihr Benjamin Kraatz
Benjamin Kraatz ist Consultant bei der PPI AG im Bereich Versicherungen und erster Co-Autor von Gerrit Götze.