„Was können wir noch von den Asiaten lernen?“ Das war die abschließende Frage, mit der Teil eins dieser Serie endete. Nach meiner Zeit in Asien würde ich spontan mit einem pauschalen „sehr viel“ beantworten. Um dieses „sehr viel“ zu erklären, möchte ich mit einem Zitat aus einem Bericht zu Digitalstrategien einer anderen namenhaften Unternehmensberatung beginnen.

„The verdict is clear: those insurance companies with the most advanced management practices related to digital strategy, capabilities, culture, and organization outperform their peers.“(Tanguy Catlin)

Der Kern dieses Zitats ist klar, Versicherer, die Digitalisierung als Chance und nicht als Risiko sehen, werden auf lange Sicht entscheidende Wettbewerbsvorteile erlangen.
Die viel diskutierte Frage ist nun, welche Bereiche sich möglichst effizient digitalisieren lassen, ohne den so wichtigen Punkt der persönlichen Betreuung zu vernachlässigen. Lässt sich beispielsweise eine Schadenabwicklung, die oftmals auch emotionsbehaftet ist, komplett von einem Computer durchführen?

Der japanische Versicherer Fukoku Mutual hat hierauf eine einfache Antwort: Ja.
Denn Fukoku Mutual kündigt zum März 2018 34 seiner Schadensachbearbeiter und ersetzt diese durch eine auf IBM‘s Watson basierende KI.
Diese KI bewertet und lernt aus Faktoren wie Krankenhausaufenthalten, durchgeführten Behandlungen und der Patientenhistorie, um daraus Auszahlungen zu kalkulieren.
Neben der Zeit, die in der Regulierung von Schäden eingespart wird, ist Fukoku Mutual in der Lage, seine Personalkosten um 1,2 Millionen Dollar pro Jahr zu senken (The Mainichi Report, 2016).

Es könnte jetzt, wie auch von meinen Kollegen und mir, vermutet werden, dass es sich um ein mutiges Experiment eines einzelnen Versicherers handelt. Doch guckt man weiter auf dem asiatischen Markt, sieht man, dass es sich hierbei um einen längst gängigen Trend handelt.
Die Dai-ichi Versicherung nutzt ebenfalls ein Watson-System, um Schadenzahlungen durchzuführen. Die Nippon Life Insurance lässt bereits Lebensversicherungen durch eine KI auf den Kunden individuell abstimmen und anbieten.

Jetzt könnte gemutmaßt werden, dass dies ein Trend ist, der aufgrund geringerer rechtlicher Hürden und einer hohen Technikaffinität ein Phänomen des asiatischen Marktes sei. Doch auch auf dem amerikanischen Markt ist in Form der Lemonade Insurance Company dieser Trend bereits angekommen. Lemonade hat eine KI-Lösung entwickelt, welche die komplette Angebots- und Schadenbearbeitung übernehmen kann.

Wird nun die Fragestellung, was wir vom asiatischen Markt lernen können, erneut unter diesen Gesichtspunkten betrachtet, kommt man schnell zu dem Schluss: Tatsächlich können wir auf dem europäischen Versicherungsmarkt viel von dem Asiatischen Markt lernen. Zwar sind die Märkte und Kunden verschieden, aber dennoch kann man bereits erkennen, wohin sich der Trend zur Digitalisierung entwickelt. Der asiatische Markt könnte somit von europäischen Versicherern beispielhaft genutzt werden, um die Auswirkungen der Digitalisierung auf Kunden, Arbeitnehmer und die Versicherung selbst zu beobachten.

Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und behaupten, dass Unternehmen, welche die Chance, aus den Erfahrungen des asiatischen Marktes zu lernen, nicht nutzen und eigene Strategien entsprechend anzupassen, Gefahr laufen, zu verschwinden. Insbesondere in der Assekuranz dauert es erfahrungsgemäß einige Zeit, bis Kunden und Unternehmen digitale Technologien voll ausnutzen. Kombiniert mit dem immer schneller werdenden digitalen Wandel reduziert sich die Anpassungspassungsfähigkeit etablierter Versicherer zunehmend.

Es wird ähnlich wie in den Printmedien einen Wendepunkt geben, an dem Versicherer, die ihre Strategien nicht angepasst haben, verblassen werden.

Mit einem Blick nicht nur auf den asiatischen, sondern den weltweiten Markt und die immer größer werdende Insurtech-Szene scheint es so, als würde sich die Versicherungsbranche konstant auf diesen Wendepunkt zubewegen.

Bis bald

Benjamin Kraatz

Benjamin Kraatz ist Consultant bei der PPI AG im Bereich Versicherungen und erster Co-Autor von Gerrit Götze.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

81  +    =  89

Verwandte Artikel