Verzicht auf professionelles Testen – eine Milchmädchenrechnung

Bei der Projektplanung wurde das Testen lange Zeit als notwendiges Übel oder im schlimmsten Falle sogar als überflüssig abgetan:

Schließlich wird doch bei der Analyse und der Spezifikation alles hinreichend besprochen und schließlich sind in der Entwicklung gute Leute, die die häufig funktionale Anforderungen 1:1 technisch verstehen und umsetzen können. Ein professionelles Testteam bringt dann wenig Mehrwert und hält die Mitarbeiter von den wichtigen Tätigkeiten ab. Wer testet hat nur kein Vertrauen in die Fähigkeiten seiner Business Analysten (BAs) und Entwickler. 

Der wesentliche Punkt ist jedoch die Hoffnung auf die Reduzierung der Kosten. Auf BAs und Entwickler kann offensichtlich nicht verzichtet werden, ganz klar, irgendwer muss die Software konzeptionieren und implementieren, das sind die relevanten Aufgaben, für das Testen wird nur unnötig Budget verplempert.

Im Projektverlauf werden dann oft die Lücken in der Argumentation deutlich. Die ersten Versionen werden geliefert und die stiefmütterlich geplanten Testaktivitäten offenbaren die Schwächen in der tatsächlichen Umsetzung der geplanten Funktionalität. Die Software läuft wenig stabil und die Erwartungen der Kunden, insbesondere der Anwender werden nicht bedient. Enttäuschung und wachsende Unzufriedenheit führen zu hektischer Betriebsamkeit. Jetzt sollen doch noch fix ein paar Tester bereitgestellt werden. Diese sind aber oft nicht kurzfristig verfügbar, also werden nun “beliebig” Leute zusammengestellt, die jetzt “nebenbei” die Qualität der Software aus dem Stand signifikant verbessern sollen. Je nach Projektfortschritt ist dies mit großen Schwierigkeiten verbunden.

Wer jetzt zum Testen verdonnert wird, ist bislang nicht zwangsläufig in das Projektgeschehen involviert gewesen. Was ist überhaupt das Ziel des Projekts oder des Programms? Worum geht es eigentlich, wird beispielsweise eine Bestandsführungssoftware abgelöst oder “nur” eine einzelne Komponente ersetzt. Werden vor dem Go-live auch Daten migriert oder läuft der Altbestand einfach aus? Zu diesem Zeitpunkt wurden dann bereits oft hunderte Anforderungen aufgenommen, ein riesiger Berg an Dokumenten erzeugt und in einem für die Testenden dann bislang unbekannten System umgesetzt.

Sich hier jetzt noch nachträglich in die gesamte Dokumentation einzuarbeiten – sofern überhaupt vorhanden –, daraus sinnvolle Testfälle zu generieren und zeitglich die künftigen Themen der Folgereleases vorzubereiten, ist fast unmöglich. Wurden hier vorher Kosten eingespart, können sich diese jetzt schnell potenzieren durch übermäßigen Personalbedarf und nun überdurchschnittlich erhöhten Aufwand.
Dies führt unweigerlich zu Frustration bei allen Beteiligten.

Erfreulicherweise hat sich diese Sichtweise zwischenzeitlich geändert und ein professionelles Testteam ist mittlerweile ein fester Bestandteil bei der Projekt- bzw. Programmplanung, beispielsweise bei der Einführung einer neuen Bestandsführungssoftware. Wobei professionell hier bedeutet, dass es mindestens eine Testmanagementrolle geben sollte und die Tester dem Team unter Berücksichtigung ihrer freien Kapazitäten fest zugeordnet sind.

Von: Mirja Ramlow

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