Bei der Produktentwicklung einer privaten Cyberversicherung gibt es zwei Philosophien:
Die Versicherungslösung kann als Stand-alone-Produkt oder als Baustein eines anderen Versicherungsprodukts (z.B. Hausratversicherung) geführt werden. In diesem Blogbeitrag wäge ich die Chancen und Risiken beider Strategien ab und ziehe daraus eine Handlungsempfehlung.
Zunächst einmal ein Eindruck vom Markt. Wie sieht die aktuelle Verteilung von Stand-alone und Nebenprodukt aus? Aktuell sind ca. 70% der am deutschen Markt angebotenen privaten Cyberversicherungen ein Stand-alone-Produkt (Quelle: Hauseigene Studie, März 2020). Somit entscheidet sich ein Großteil der Versicherungshäuser für das Stand-Alone-Produkt. Warum ist das so?
Durch die Kombination mehrerer Versicherungsprodukte bekommt der Verbraucher quasi ein Taschenmesser. Praktisch und für oberflächliche Tätigkeiten sehr gut. Für intensivere Tätigkeiten allerdings ungeeignet. Oder würden Sie gern mit einem Taschenmesser all ihre Verpackungen öffnen oder bei einem Umzug die Schränke aufbauen? Wahrscheinlich nicht. Denn dafür gibt es ja eine Haushaltsschere und einen Schraubendreher.
Naja, genug der Analogie, zurück zu der Cyberversicherung als Nebenprodukt:
Bei den meisten Versicherungen wird als Hauptprodukt die Hausratversicherung gewählt. In meinen Augen ist das neben der Rechtsschutzversicherung das sinnvollste Hauptversicherungsprodukt. Wenn der Verbraucher sein Hab und Gut z.B. gegen Diebstahl versichern möchte, ist es logisch, dass dieser Schutz in der digitalen Welt nicht aufhören sollte. Die Cyberversicherung deckt dann z.B. die Kosten, die durch die Verschlüsselung der Festplatte oder Datenklau entstanden sind.
Vielen Kunden sind solche Risiken nicht bewusst. Die Cyberversicherung als Nebenprodukt kann also den Kunden auf das Thema Cybercrime aufmerksam machen. Ein Kunde, der sich also nur mit den bekannten Risiken in der „analogen“ Welt beschäftigt, wird erstmalig auf einen solchen Cyberschutz hingewiesen, ohne dass die Versicherung das Cyberprodukt gezielt vermarkten muss. Ganz generell ist das Nebenprodukt quasi ein Cross-Selling-Ansatz, da dem Hausrat-Kunden noch eine Cyberversicherung aus dem gleichen Hause verkauft wird. Es wird sozusagen mehr von dem Kunden abgeschöpft. Zudem sind die Betriebskosten des Versicherungsproduktes geringer verglichen mit einem Stand-alone-Produkt, da Skalierungseffekte ausgenutzt werden können.
Das klingt ja soweit ganz verlockend. Warum entscheidet sich dann trotzdem ein Großteil der Versicherungen für das Stand-alone-Produkt?
Der wohl offensichtlichste Grund ist Folgender: Kunden, die gern eine Cyberversicherung allerdings nicht das Hauptversicherungsprodukt abschließen möchten, können nicht bedient werden. Je nach Hauptversicherungsprodukt ist der Anteil an Kunden nicht unerheblich. Des Weiteren ist der Eindruck bei dem Kunden nicht so intensiv. Ein Stand-alone-Produkt kann aus Marketingsicht viel besser bespielt werden. Es können z.B. zielgruppengerechte Kampagnen gefahren werden. Es können auch Verbraucher auf das Thema Cybercrime aufmerksam gemacht werden, die sich aktuell nicht mit einer Hausratversicherung beschäftigen.
Auch bei einem Stand-alone-Produkt gibt es Cross-Selling-Ansätze: Gerade junge Menschen haben oft noch nicht alle für sie notwenigen Versicherungen abgeschlossen. Hier kann die Cyberversicherung als Türöffner für den Vertrieb von weiteren Versicherungsprodukten aus dem eigenen Hause genutzt werden. Man erreicht somit Kundengruppen, die man vorher nicht erschließen konnte. Um diese auch langfristig halten zu können, kann das Stand-alone-Produkt einen entscheidenden Vorteil ausspielen: Die Versicherung kann sich als Partner im Kampf gegen Cybercrime platzieren. Der Kunde nimmt dadurch die Versicherung nicht lediglich als finanziellen Ausgleich im Schadensfall wahr, sondern als Risikopartner. Aus Marketingsicht ein eklatanter Unterschied, da der Kunde nun eine Bindung mit der Versicherung eingegangen ist. Wie genau dieser Schritt durch eine Zusatzleistung durchführbar ist, lesen Sie in unserer Blogbeitragsserie: Darknet – Das Geschäft mit dem Dunklen .
Abschließend nun noch eine Handlungsempfehlung: In meinen Augen sollten Sie die Strategie „Stand-alone“ dem Nebenprodukt bevorzugen. Sollten dazu die Ressourcen fehlen, dann ist es immer noch besser eine private Cyberversicherung als Nebenprodukt anzubieten, als gänzlich auf diese zu verzichten. Denn eine Schere aus einem Taschenmesser ist immer noch besser, als keine Schere 😉
Mit freundlichen Grüßen,
Autor: Linus Töbke