Kollaboration statt Konkurrenz – die Fintech Revolution
„Digitalisierung“ ist laut Gartner der Prozess des Übergangs zu einem digitalen Unternehmen. Die Versicherungsbranche diskutiert seit geraumer Zeit die Herausforderungen und Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle. Die Beschleunigung des technologischen Wandels und neue Mitbewerber setzen die Versicherer vermehrt unter Druck.
Die meisten Versicherer betrachten bei der Analyse ihrer Geschäftsmodelle entweder nur die Digitalisierungsstrategie oder die Customer Journey. Sie führen Studien durch, entwickeln neue Geschäftsstrategien und erhöhen das Kundenerlebnis unter Nutzung modernster Technologie. Reicht dies für eine nachhaltige Digitalisierung? Bei weitem nicht.
Interne Organisation und IT-Landschaft sind die größten Hürden für eine „Always-on“-Kultur. Die eingesetzten IT-Systeme sind – auch im Jahr 2016 – instabil und nicht performant. Für viele Sachbearbeiter gehören Workarounds zum grundlegenden Handwerkszeug, um Anträge und Schäden effizient zu bearbeiten.
Für die Versicherer wird es von Tag zu Tag komplexer, Strategie und operativen Kern zu verknüpfen, denn die Markt- und Kundenanforderungen ändern sich einfach viel zu schnell (siehe Grafik). Beinahe täglich müssen die Versicherer auf technologische Trends reagieren. Mobile Webseiten, Apps, Online-Schadenaufnahme, Aufzeichnung und Verarbeitung von Bewegungsdaten, z. B. in Fahrzeugen, Wearables gehören fast schon zur alten Garde.
Doch wie entstehen eigentlich diese Trends, die der Versicherungsbranche vermehrt Probleme machen?
Hier kommen die FinTechs – oder im Versicherungssektor die InsurTechs – ins Spiel. Kleine, junge, hoch spezialisierte, effiziente und agile Unternehmen – wie friendsurance oder Community Life – entwickeln aus neuen Technologien bei geringen Markteintrittsbarrieren neue Geschäftsmodelle. Insbesondere die hohe Spezialisierung auf ein bestimmtes Produkt oder einen speziellen Service und die hohe Automatisierung ermöglichten den InsurTechs in den letzten Jahren so erfolgreich zu werden. Schnell stellt sich die Frage, ob traditionelle Versicherer überhaupt gegen die InsurTechs bestehen können.
Das Ziel der Versicherer in den nächsten Jahren ist klar umrissen: Integration von Strategie und operativem Kern bei gleichzeitigem Aufbau einer SMACIT-Infrastruktur (SMACIT: social, mobile, analytics, cloud, internet of things), die IT, ihre organisatorische Infrastruktur und deren Prozesse umfasst. Die Folge ist allerdings nicht nur das digitale Versicherungsunternehmen von morgen, sondern ein völlig neues Business-Ökosystem. Damit hängt das Bestehen traditioneller Versicherungsunternehmen nicht davon ab, wie sie sich gegenüber den InsurTechs behaupten, sondern vielmehr davon, wie sie mit ihnen kooperieren.
Der Einsatz neuer digitaler Ressourcen ermöglicht es Versicherern, traditionelle Grenzen zu durchbrechen und in weitere Bereiche vorzudringen. Traditionelle Partnerschaften und enge Lieferketten wandeln sich zu lose gekoppelten Business-Ökosystemen.
Der Weg zu solchen Business-Ökosystemen erfordert allerdings einen umfassenden Überblick über aktuelle Trends der Digitalisierung und den InsurTech-Markt. Außerdem müssen die Strategie und Ausrichtung in Bezug auf Standardisierung von Geschäftsprozessen oder IT-Infrastruktur überdacht werden. Die digitale Business-Strategie sollte von den traditionellen Versicherern hoch priorisiert werden, denn die indirekten Auswirkungen der Finanzkrise, das sich ändernde Kundenverhalten, die niedrigen Zinsen sowie die strenge Regulierung müssen stetig integriert werden.
InsurTechs bieten für die Versicherer eine Chance, ihre Passfähigkeit durch ein umfangreiches Business-Ökosystem für spezielle Produkte und Services zu verbessern, ohne die gesamte Last der Digitalisierung selbst stemmen zu müssen.
Alle Probleme können Kooperationen mit InsurTechs sicherlich nicht lösen. Die Versicherer sind in der Pflicht, die Leitplanken für ein solches Business-Ökosystem zu etablieren.
Ihr Julian Schmidt
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