Ist die Testautomatisierung für Sie ein wesentlicher oder gar essenzieller Aspekt ihrer Digitalisierungsstrategie?
Für mich ist die Testautomatisierung der Bestandsführungssysteme Leben zentral.
Die Digitalisierung der Prozesse in der Bestandsführung – von der Teilautomatisierung von Geschäftsprozessen über die prozessabschließende Bearbeitung bis hin zur Dunkelverarbeitung und einem Online-Kundencenter – verbessert nicht nur die Prozesse für den Kunden, sondern auch die Systemlandschaft. Die Marktführer in anderen Branchen arbeiten mit mehreren Releases pro Monat, pro Woche bzw. pro Tag. Meines Erachtens wird auch in der Lebensversicherung die Anzahl der Releases der Bestandsführungssysteme durch ständig kürzere Innovationszyklen zunehmen. Maßnahmen zur Prozessoptimierung sowie kürzeren Entwicklungszeiten lassen sich nur umsetzen, wenn die zugrunde liegenden Testprozesse automatisiert werden.
In der Testqualität und der Testautomatisierung sind die Versicherer unterschiedlich weit gekommen. Die Größe der Unternehmen spielt dabei meiner Erfahrung nach eine geringe Rolle. Die Hardware und die verwendeten Programmiersprachen haben ebenfalls wenig Einfluss auf den Test. Allerdings haben moderne Architekturen einen Vorteil: Sie werden häufig mit testbasierten Ansätzen entwickelt. Somit bieten die Testverfahren der Softwarehersteller eine Ausgangsbasis, um den Test weiter zu optimieren. Aber auch für ältere Technologien können Tests entwickelt werden. Also liegt der Schlüssel zur Testautomatisierung meistens nicht in der Technologie, sondern in der Unternehmensstrategie bzw. der Testkultur selbst.
Testautomatisierung heute – oder war früher alles besser?
Bei einer sehr kleinen Anwendung kann eine Person die Lösung skizzieren, konzeptionieren, umsetzen und testen. In solchen Situationen reicht meist ein besserer Entwicklertest aus. Wird die Anwendung komplexer, werden die einzelnen Arbeitsschritte auseinandergerissen und arbeitsteilig von wechselnden Teams erledigt. Dabei entstehen Fehler durch unterschiedliche Sichtweisen, mangelhafte Kommunikation, unzureichende Kenntnis der gegenwärtigen Möglichkeiten und vieles mehr. Auch die objektorientierte Programmierung hat dies wenig verbessert, da die zugrunde liegende fachliche Komplexität nicht verschwindet.
Dieser Fluch der Komplexität verändert auch den Test. Nimmt die Komplexität zu, kann die Anwendung nicht mehr bis in alle Einzelheiten getestet werden und man beschränkt sich auf Teilabdeckungen bzw. Abdeckungsraten. Spezialbereiche werden nur teilautomatisch oder komplett händisch getestet. Als Folge hängt die Automation der Tests noch weiter hinterher.
Ist der zunehmende Rückstand in der Testautomatisierung für Sie noch tragbar?
Der Wandel der Wirtschaft hin zur Automatisierung und zur ständigen Optimierung von Prozessen (auch der Entwicklungsprozesse und damit der Systemzuschnitte) führt zu vielen kleinen Renovierungsvorhaben. Gerade solche Renovierungen profitieren in ihrer Qualität und Umsetzungsgeschwindigkeit massiv von der Unterstützung durch automatisierte Tests, speziell Regressionstests auf Komponentenbasis und Ende-zu-Ende-Tests.
Zusammenfassung
Beste Grüße
Ihr Jörg Berns-Müller
Über unseren Gastautoren:
Jörg Berns-Müller ist Spezialist für Rechenkerne und technische Bestandsführungen. Auf Basis seiner langjährigen Erfahrung in mathematischer Softwareentwicklung hilft er den Versicherern als IT-affiner Aktuar in der Erweiterung, Erneuerung und Auswahl von Rechenkernen und Bestandsführungssystemen.
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