Das Zeitalter der Digitalisierung wird langsam erwachsen und hat schon viele Kinder hervorgebracht. Ich möchte diesen Betrag nutzen, um die großen Themen der Digitalisierung zu resümieren und einen Ausblick auf die Zukunft der digitalisierten Organisationsgestaltung zu geben.
Die Digitalisierung kann seit 2012 als wirkliches Zeitalter aufgefasst werden – zumindest, wenn man dem starken Anstieg des Begriffs Digitalisierung im Suchbegriffsranking von Google Glauben schenkt. Zu Beginn wurde die Digitalisierung als ein rein technologiefokussiertes Unterfangen angesehen. Neue Technologien, Realtime-Fähigkeit und Big Data waren einige der Kernthemen und sind es teilweise immer noch. Zu dieser Zeit wurde auch die Rolle des Chief Digital Officers gesellschaftsfähig. Seine Rolle sollte einen gesamtheitlichen Blick über die Digitalisierungsvorhaben der Unternehmen aus technologischer Sicht sicherstellen. Damit innovative Technologien in das Unternehmen gebracht werden konnten, standen kurz darauf Innovation Center hoch im Kurs. Hier werden neue Technologien mittels innovativer Workshop-Formate oftmals im Kreis höherer Führungseben diskutiert und darauf basierend Initiativen gestartet. Auch neue Methoden wie das Design Thinking, Scrum oder Kanban können innerhalb der Unternehmen vertestet und auf lange Sicht auch eingeführt werden.
Als nächstes rückten fachlich getriebene Themen wie die Kundenzentrierung und Zielgruppengenauigkeit in den Fokus. Kompetenzzentren für Customer Experience und Prototyping waren nicht länger der Softwareentwicklung vorenthalten, sondern etablierten sich auch im Finanzdienstleistungssektor. Kundenzentrierte Prototypen können so gemeinsam mit externen oder internen Agenturansätzen und den jeweiligen Fachbereichen gestaltet werden. Es fiel jedoch schnell auf, dass nicht jede Zielgruppe mit diesem Ansatz bedient werden konnte. So wurde aus der Frage „Fintech – Kooperationspartner oder Wettbewerber?“ schnell die Antwort „Kooperationspartner“. Genau an diesem Punkt stehen die Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche im Moment. Es werden Kooperationen mit Fintechs verprobt und im Leuchtturmcharakter an die Presse kommuniziert. Ganz nebenbei entwickelte sich dabei der Ansatz der Bimodalen IT, also einer IT, die sowohl die Bewahrer-Mentalität nach innen als auch das Handhaben der dynamischen und zielgruppengerechten Kundenanforderungen nach außen ermöglichen soll.
Man kann sagen, die Digitalisierung hat einiges bewegt. Hat sie aber auch das Richtige bewegt? Denn alle diese Ansätze haben eines gemeinsam: ein Projektumsetzungsproblem oder vielmehr ein Verantwortlichkeitsproblem. Ich bezeichne dies auch gern als die Dezentralität des Seins. Für sich gesehen ist jeder Ansatz richtig und wichtig für die Unternehmen: Verprobung und Einführung innovativer Technologien, Einbindung der Kunden in Projekte, Vertesten von Ideen, bevor diese in die Umsetzung gehen, sowie Nutzung von Kooperationen mit Fintechs, um den eigenen Markt von einer weiteren Seite anzugehen. Oftmals werden die erfolgversprechenden Ansätze und Ideen in Eigenverantwortung der einzelne Bereiche vorangetrieben oder eben auch nicht, denn viele Bereiche gelangen bereits mit dem Tagesgeschäft an ihre Kapazitätsgrenzen.
Innovation wird somit zum Zufall. Genau an dieser Stelle muss man ansetzen. Jemand muss die einzelnen Fäden zusammenbringen und dafür verantwortlich sein, aus den Ansätzen und Ideen Projekte – und zwar nicht nur Prototypen und Leuchttürme – zu entwickeln. Hierzu gehören insbesondere das Stakeholder-Management der wichtigen Befürworter aber auch das grobe Timing und Budget des Vorhabens konsequent in die richtige Richtung zu treiben. Und zwar vor, während und nach der Umsetzung des Vorhabens. Hierbei ist es lediglich relevant, ob ein Vorhaben eine Weiterentwicklung des Geschäfts bzw. des Geschäftsmodells darstellt – eine Trennung nach fachlicher und IT-Orientierung wird damit obsolet. Zusammenfassend wird also eine Verantwortlichkeit gesucht, die im Rahmen der Digitalisierung die Fäden aller der Vorhaben zusammenhält, die eine Weiterentwicklung des Geschäfts bzw. des Geschäftsmodells bis zur Umsetzung fokussieren. Kurz gesagt – es wird ein Digital Business Development benötigt.
Wir bleiben da dran ?
Ihr Julian Schmidt