Drei Experten aus drei Unternehmen stellen sich heute dieser Frage. Armin berät mit seiner Firma aaronprojects Kunden aus der Automobilbranche und baut Software, Carlo revolutioniert den Bereich Authentifizierung mit seinem Start-up Nect und Sascha steht mit PPI für 30 Jahre Erfahrung in der Beratung von Versicherungen und Banken. In unserem dreiteiligen Blog werden wir den scheinbaren Widerspruch auflösen und erklären, was Tesla mit Lebensversicherungen gemeinsam hat.
Was hat es mit dem scheinbaren Widerspruch auf sich?
Armin: In der Tat auf den ersten Blick nichts. Tesla plant meines Erachtens keine Lebensversicherung (lacht). Vielmehr steht Tesla in der Öffentlichkeit als Synonym für einen Innovator und Revoluzzer in der Automobilindustrie. Sie haben es geschafft, mächtig Druck auf die etablierten Hersteller auszuüben, haben eine überdimensionale Medienpräsenz und begeistern immer wieder mit neuen Überraschungen. Es ist in Rekordzeit fast schon ein Markenkult wie bei Apple entstanden.
Wie ist der aktuelle Stand der Digitalisierung in der Versicherungsbranche?
Sascha: Die Versicherungsbranche gilt insgesamt ja nicht unbedingt als Innovationstreiber. Dies liegt zum einen an der relativ hohen regulatorischen Hürde für neue Wettbewerber als auch an dem wesentlich geringeren Handlungsdruck aufgrund einer gewissen Trägheit des Vertragsbestandes. Daher ist der Innovationsdruck in der Vergangenheit eher gering gewesen. Dies ändert sich nun aber mit den Möglichkeiten der Digitalisierung. Viele Versicherungsunternehmen nutzen diesen Schwung, um ihre Anwendungslandschaften insgesamt auf Vordermann zu bringen. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen und verschlingt einen großen Anteil der verfügbaren Kapazitäten.
Um dem Kunden trotzdem die verschiedenen Kommunikationskanäle bereitzustellen, investieren die Unternehmen parallel in entsprechende Endkundenportale und Applikationen, häufig jedoch ohne eine konkrete Anbindung an die Fachsysteme herzustellen. Teilweise erzeugen Self-Service-Funktionen im Portal E-Mails, die vom Sachbearbeiter manuell in die Fachsysteme eingegeben werden. Damit sind natürlich kanaladäquate Antwortzeiten und eine entsprechende User Experience nicht zu erreichen. Von automatisierten Prozessen ganz zu schweigen.
Carlo: Als Teilnehmer des W1 InsurTech Accelerators in München hatten wir tiefe Einblicke in die Strategien der Versicherungsunternehmen und wie diese der Digitalisierung gerecht werden wollen. Die Digitalisierung erfolgt in vielen Fällen mit Kundenportalen und Social-Media-Aktivitäten. Viele Versicherer haben außerdem Apps entwickelt, beispielsweise für das Einreichen von Rechnungen oder die Warnung der Kunden vor Unwettern. Auch waren vermehrt Self-Service-Funktionen, wie die Änderung von Stammdaten, in die Kundenportale integriert. Auch der Außendienst wurde in manchen Fällen mit mobilen Endgeräten und dazugehörigen Apps ausgestattet, mit denen die Kundenbetreuung effizienter gestaltet werden kann. Es sind durchaus Ansätze zu erkennen und sicherlich tragen diese auch in einer Art und Weise zu einem „digitalen Erfolg“ bei.
Viele Versicherer sind auf dem richtigen Weg, jedoch fehlt meist eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie. Die Überlegung ist also, einen weiteren Schritt zu gehen, nämlich vom Portal zur Plattform und somit vom Multi-Kanal zum Omni-Kanal.
Was hat Tesla bei euch ausgelöst/bewirkt?
Armin: Ich glaube, dass man hinter den verschlossenen Türen schon mächtig Respekt vor dem Neuling hat. Sie sind allen Unkenrufen zum Trotz momentan unangefochtener E-Autoanbieter Nummer 1. Und das im Premiumsegment. Wir haben ja gerade in der jüngeren Geschichte schon gesehen, was Start-ups so bewirken, Stichwort disruptiv. Da muss man als OEM entsprechend gewappnet sein, um nicht als nächstes Nokia gehandelt zu werden.
Für mich war Tesla aber vor allem eines: ein Impulsgeber für neue Technologien. Oder glaubst Du, dass sich der E-Auto-Markt sonst so schnell entwickelt hätte? Jede Branche profitiert immer wieder von neuen Teilnehmern, die querdenken. Die entscheidende Frage ist doch, wie die Platzhirsche auf den Neuling reagieren. Das macht die deutsche Automobilindustrie im Moment sehr gut. Keine Schnellschüsse, abwarten und gezielt auf die Impulse reagieren. Das könnte auch für den Versicherungsbereich interessant werden, gerade wenn ich auf die Fin- und InsurTechs blicke, die etablierte Geschäftsmodelle angreifen oder radikal verändern wollen.
Bis dahin!
Das Interview führte für Sie
Maximilian Bohlen
PS: Der Mal quergedacht Beitrag “Emp-Art Life Teil 2” verschiebt sich durch den Sonderbeitrag um eine Woche?
Maximilian Bohlen ist Bachelor der Betriebswirtschaft und angehender Wirtschaftsinformatiker. Bei PPI arbeitet er als Consultant im Bereich Versicherungen. Seine Stärke ist die Beratung und Umsetzung an der Schnittstelle zwischen versicherungsfachlichen Anforderungen und modernen IT-Systemen