Digitalisierungsprojekte in der Versicherungsbranche sind häufig durch drei Merkmale gekennzeichnet: Sie sind komplex, oft überfällig und treffen auf wenig erfahrene Kulturen. Sicherlich ist das etwas pauschalisiert für eine riesige Branche in Deutschland. Und doch können viele Mitarbeiter, Bewerber oder externe Berater ein Lied davon singen.

An dieser Stelle verwundert es nicht, dass in der Versicherungsbranche immer stärker nach neuen Methoden und Erfolgsfaktoren für derartige Projekte gesucht wird. Seien es agile Vorgehensmodelle, wie Scrum oder Large-Scale Scrum, Erkenntnisse aus der Hirnforschung für erfolgreiches Changemanagement oder der Einkauf branchenfremder Experten (gerne auch in Form von FinTechs).

Ich möchte Ihnen heute einen kleinen Erfolgsfaktor ans Herz legen, der von allen oben aufgezählten Aspekten losgelöst ist. Dabei handelt es sich keinesfalls um eine Weltneuheit – ganz im Gegenteil. Eventuell ist das auch der Grund, warum ihn sowohl erfahrene Projektmanager im IT-Umfeld als auch Führungskräfte nicht mehr aktiv auf dem Schirm haben: Er ist zu simpel?!

Die Rede ist von Visualisierung. Genau, das graphische, visuelle Erfassen abstrakter Informationen und komplexer Zusammenhänge. Natürlich kennen die Product-Owner und Scrum-Master unter Ihnen die Visualisierung des Projektziels, der Vision bereits und es wird in kleinen, agilen Teams und Projekten aktiv gelebt. Ebenso kennen wir aus dem Anforderungsmanagement respektive der Businessanalyse Darstellungen für Prozesse, Daten- und Fachmodelle. Nicht zuletzt die unzähligen PowerPoint-Folien von uns Beratern. Alle dienen dem Zweck, komplexe Sachverhalte anschaulich und damit greifbar zu machen; selten lassen sie sich jedoch wirklich übergreifend einsetzen.
Warum ist das wichtig?

Oft sind Digitalisierungsprojekte oder IT-Projekte insbesondere für Fachbereichsmitarbeiter extrem abstrakt und alles andere als verständlich. In unerfahrenen, interdisziplinären Projektteams erlebe ich häufig Diskussionen und Meetings, in denen teilweise stundenlang und sich wiederholend über einen Detailaspekt gesprochen wird. Alle an einem Tisch und vermeintlich derselbe Sachverhalt auf diesem Tisch. Meine Erfahrung zeigt häufig, dass eben nicht alle über dasselbe reden und daher unterschiedliche Lösungsansätze nicht einheitlich betrachtet werden können. Der Grund ist oft sehr simpel: Nicht alle haben dasselbe vor Augen und ein Wort sagt leider nur 1/1000 eines Bildes aus.

Wer also die Effizienz in seinen Projekten steigern möchte und zielführende, in Ergebnissen denkende Diskussionen und Teamarbeit wünscht, der sollte Visualisierung als wichtigen Erfolgsfaktor erkennen. Dies geht über die Veranschaulichung einer Vision hinaus, denn gerade in großen Projekten mit möglicherweise mehreren, übergreifenden Teams ist es wichtig, ein einheitliches, nachvollziehbares Bild vor Augen zu haben. Und das nicht nur auf der höchsten Abstraktionsebene, sondern im besten Fall kann das Bild bis in Detailtiefen übertragen werden. Folglich verstehe ich unter Visualisierung einen größeren Kontext. Nicht nur ein Bild, vielmehr eine übergreifende Bildsprache, die sich ausgehend von einem „Big Picture“ (im wörtlichen Sinne) auf verschiedene Anwendungsfälle, Stakeholder und Projektmitglieder übertragen lässt. Insbesondere in längeren Projekten liegt das Ziel beim Projektstart noch hinter dem Horizont. Da hilft es, bereits den Weg dahin in das Gesamtbild zu integrieren. Je einfacher und greifbarer, umso besser. Und auch hier gilt: Nichts ist in Stein gemeißelt, es ist veränderbar. Das Schöne ist: Auch die Veränderung wird mit veranschaulicht und für viele dadurch erfassbar. Das erhöht die Chance, dass es alle mittragen. Nicht zuletzt Unternehmensangehörige, die nicht direkt im Projekt involviert sind.

Um die Macht der Visualisierung direkt etwas herauszufordern und die obigen Ausführungen zu verdeutlichen, habe ich mich gefragt, mit welchem Beispiel ich dies einfach und natürlich unterhaltsam transportieren kann. Ich versuche es hiermit:

„Versicherungsproduktentwicklung ist wie Torte backen.“

Was soll das denn heißen? Wie komme ich darauf? Relativ einfach: Aus dem Projektalltag. Am Ende wird ein Produkt benötigt, das den Kunden anspricht, ihm schmeckt und für Versicherer kostendeckend hergestellt werden kann. Ein Versicherungsprodukt besteht ähnlich wie eine gute Torte aus verschiedenen Bestandteilen (Versicherungsbedingungen, Prozessen, Marketingunterlagen etc.) und wiederum einer Vielzahl aus Zutaten (Risikomodellen o. Ä.). Ohne die richtige technische Unterstützung (Bestandssysteme, Prozesssteuerung usw.) wird jedoch aus den besten Zutaten keine Torte. Ruckzuck können die Beteiligten sehen, an welchen Stellen gerade gearbeitet wird, Abhängigkeiten lassen sich veranschaulichen und allen ist stets bewusst, dass es um das große Ganze geht – und nicht nur um Kleinigkeiten. Obwohl auch jedes Versicherungsprodukt das gewisse Etwas, die berühmte Kirsche auf dem Sahnehäubchen haben sollte.

Zugegeben, das ist ein fast schon kindisch anmutendes Beispiel. Es erfüllt jedoch durchaus seinen Zweck, da es kritische, angespannte Phasen etwas auflockern kann. Mir kommt es hier auch mehr auf die Botschaft an: Visualisierung ist ein Erfolgsfaktor. Und wer dies über alle Abstraktionsebenen hinweg beherzigt, der hat durchaus ein machtvolles Instrument für die erfolgreiche Umsetzung komplexer Projekte und das begleitende Changemanagement.

In diesem Sinne, mögen die Macht und Kreativität mit Ihnen sein,

Ronny

Ronny Kant ist Consultant im Bereich Versicherungen und ist nebenbei ein sehr kreativer wie auch innovativer Schreiberling. Er interessiert sich für zukünftige Entwicklungstendenzen der Versicherungsbranche und die daraus resultierenden Herausforderungen für Versicherungsunternehmen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

7  +  1  =  

Verwandte Artikel